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Start Berichte & Beiträge Andreas Schönfeld erfolgreich beim UTMB

Andreas Schönfeld erfolgreich beim UTMB

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Osterather erfolgreich beim Ultra-Trail Mont Blanc

>>> Neu: Andreas hat einen ausführlichen Bericht geschrieben <<<

Am 30. August 2013 wurde die 11te Ausgabe des Ultra-Trail Mont Blanc (UTMB) in Chamonix / Frankreich gestartet. Er gilt mit einer Streckenlänge von 168 km und 9600 zu überwindenden Höhenmetern sowie einem Zeitlimit von 46 Stunden als einer der schwersten  Bergultraläufe der Welt. Die Strecke führt über eine Reihe hoher Gebirgspässe durch die Länder Italien, Schweiz und Frankreich. Hauptschwierigkeiten sind  die Anstiege Col du Bonhomme (2479 m), Col de la Seigne (2516 m) und Grand Col Ferret (2537 m) sowie die steilen Abstiege nach Courmayeur, La Fouly, Trient und Vallorcine. 

Mit dabei war Andreas Schönfeld, ein langjähriger Ultraläufer des Osterather TV, der die Strecke in 44 Stunden und 31 Minuten bewältigen konnte.

Das nahezu ideale Laufwetter erleichterte den Lauf erheblich und führte dazu, dass er über die volle Distanz durchgeführt werden konnte, nachdem er im Vorjahr aufgrund der schlechten Witterungsbedingungen aus Sicherheitsgründen erheblich verkürzt werden musste. 
Als schwierig gestaltete sich für den Rheinländer die Vorbereitung auf das Laufen im Gebirge. Eine  intensive Nutzung der Autobahnüberführungen, ausgiebiges Treppen steigen und ein gelegentliches  Training in den Gerresheimer Höhen waren die hauptsächlichen Trainingsmöglichkeiten.

Hier der auführliche Berichrt von Andeas:

Vom Niederrhein zum Ultra-Trail Mont Blanc (UTMB)

So wie sich jeder Ultra-Straßenläufer entsprechend dem bekannten Ausspruch von Werner Sonntag „Irgendwann musst du nach Biel“ bei dem berühmten Schweizer 100km-Lauf erproben muss, so gilt für Ultra-Trailläufer der Ultra-Trail Mont Blanc als das begehrte Ziel.  Nachdem ich den Bieler Lauf in den letzten Jahren 3 Mal finishen konnte – zuletzt 2004 gemeinsam mit Peter Müller-Manhardt – und in den letzten Jahren fast ausschließlich an Ultratrail-Wettkämpfen und Bergläufen teilgenommen habe, war klar, dass ich mich auch am Mont Blanc versuchen musste. Leichter gesagt als getan, denn einfach anmelden kann man sich für diesen Lauf nicht!  Nachdem bis 2008 die rund 2300 Startplätze stets bereits nach wenigen Minuten vergeben waren, wurde ab dem Jahr 2009 ein Qualifikationssystem eingeführt, das 2012 noch einmal verschärft wurde. So sind derzeit sieben Qualifikationspunkte, die in 3 Ultra-Bergläufen zu erzielen sind, erforderlich. Da selbst jetzt noch mehr Bewerber als Startplätze vorhanden waren, wurde gelost. Abgewiesene Bewerber erhielten im Folgejahr eine Startplatzgarantie bzw. bekommen ab 2014 eine um 50% erhöhte Loschance.

Wie ist die große Popularität des UTMB zu erklären? Sicher ist es für viele Trailläufer eine große Herausforderung eine Distanz von fast 170 km in einer faszinierenden Bergwelt zurück zu legen, dabei immer den Mont Blanc und zahlreiche Berggipfel im Blick zu haben und gemeinsam mit LäuferInnen aus vielen anderen Nationen – darunter stets die weltbesten UltraläuferInnen – an den Start zu gehen. Schließlich wird in Chamonix über mehrere Tage hinweg ein wahres Trailfestival veranstaltet, das weitere attraktive Läufe sowie eine große Messe mit einer Fülle von Veranstaltungen und Vorträgen beinhaltet.

Die Strecke des UTMB verläuft als Rundkurs vom Startort  Chamonix aus über Les Houches zum ersten Anstieg La Charme. Hinter Les Contamines-Montjoie geht es erstmals in den hochalpinen Bereich, mit der Croix du Bonhomme (2479 m) als höchsten Punkt. Nach einem Abstieg zum Weiler Les Chapieux erreicht man über den Col de la Seigne (2516 m) italienisches Gebiet. Oberhalb des Val Veny gelangt man zur Arête Mont Favre (2435 m) und steigt über den Col Chécrouit nach Courmayeur ab, das man nach 78 km erreicht. Über den Grand Col Ferret (2537 m) gelangt man ins Schweizer Val Ferret. Hinter Champex-Lac, das nach 123 km erreicht wird, sind noch drei große Anstiege zu bewältigen: zum Weiler Bovine (1987 m) und auf den Catogne (2011 m) auf Schweizer und auf die Tête aux Vents (2130 m) auf französischem Gebiet. Dabei sind insgesamt 10 Gipfel bzw. Passhöhen mit 9600 Höhenmeter zu erklimmen und ähnlich viele Höhenmeter wieder abzusteigen.

Das Zeitlimit für die 168 km des UTMB liegt bei 46 Stunden Laufzeit. Das erscheint eine relativ großzügig bemessene Zeit zu sein, zumal der Streckenrekord bei 21 Stunden liegt. Doch scheitert am Mont Blanc in der Regel knapp die Hälfte aller Teilnehmer, davon rund 20 % am Zeitlimit. Gerade mal 10% kommen unter eine Laufzeit von 36 Stunden. Drei Viertel benötigen über 40 Stunden und sind an zwei aufeinander folgenden Nächten unterwegs. Und dabei handelt es sich nicht um Freizeit- und Gelegenheitsläufer, sondern um erfahrene Ultratrailer, die sich teilweise jahrelang vorbereitet haben. So ist es geboten, den Lauf angemessen zu planen und sich gewissenhaft vorzubereiten.

Die nötigen Punkte durch Qualifikationsläufe sind relativ schnell gesammelt (3 Punkte: KOBOLT, Rheinsteig 140 km / 4500 HM; 2 Punkte: Trail des Fous Furieux, Belgien 84 km / 3000 HM und Brocken-Challenge 80 km / 2000 HM), doch wie bereitet man sich nun auf einen solchen Lauf als Rheinländer angemessen vor? Es macht dabei wenig Sinn auf die gewohnten Ultralauf-Trainingspläne – wie etwa für den Bieler 100er – zurück zu greifen, weil man damit nicht weit kommen wird. So habe ich mich von Anfang an auf das Bergablaufen und das Bewältigen überlanger Distanzen konzentriert. Das Laufen in der Nacht bereitet mir grundsätzlich keine Mühe und konnte vernachlässigt werden. Zudem galt es sich an die sachgerechte Nutzung von Walking-Stöcken – v.a. bei den steilen Abstiegen - zu gewöhnen, denn ohne diese sind die Belastungen für den Stütz- und Halteapparat und die Sturzgefahr viel zu groß. So benutzen geschätzte 95% der Teilnehmer zumindest streckenweise die Stöcke. Da beides in unserer Region nur bedingt zu trainieren ist, habe ich monatlich an einem Ultratrail-Wettkampf (u.a. Brocken-Challenge und Eco-Trail Paris mit je 80 km und 2000 HM, Trail duTombeau de Chevalier mit 56 km und 18 HM) teilgenommen und einmal wöchentlich in den Gerresheimer Höhen und im Aaper Wald trainiert.  Auf mehr als 80 wöchentliche Trainingskilometer bin ich dabei aber nie gekommen.

Der Start steht unmittelbar bevor und man hat natürlich – wie immer – viel zu wenig trainiert. Dies bietet einerseits eine Fülle von Ausredeoptionen, wenn es mit dem erwünschten Wettkampfergebnis – im konkreten Fall dem Finishen innerhalb des Zeitlimits - nicht klappt, andererseits vergrößert es natürlich die Unsicherheit, ob das ganze Unternehmen erfolgreich enden wird. Zu meiner Entschuldigung war der Sommer ungewöhnlich warm und ich hatte viel Arbeit mit der Renovierung unseres Hauses in Waldshut zu tun. Da wir mit der Familie die Wochen vor dem Lauf (Sommerferien) in Waldshut, also im Südschwarzwald verbrachten, gab es in der Nähe aber dafür viele attraktive Trainingsmöglichkeiten u.a. am Feldberg. Eine tolle Trainingsvorbereitung boten Wanderungen im Muotatal am Vierwaldstättersee und die Teilnahme am Ticino-Trail im Tessin / Schweiz (56 km / 5000 HM). Für letzteren benötigte ich sage und schreibe 14 Stunden – inklusive einer einstündigen Unterbrechung der Organisatoren wegen Unwetters und einem durchlebten Hagelsturm in 2000 m Höhe. Wie ich 4 Wochen später beim UTMB eine 3 mal so lange Strecke bewältigen wollte, konnte ich mir völlig erschöpft und durchgefroren - tagsüber war es in den Tälern noch um die 30 Grad heiß und ich holte mir einen schlimmen Sonnenbrand im Nacken - um Mitternacht im Ziel überhaupt nicht vorstellen. Aber wie das immer so ist, am folgenden Morgen freut man sich schon wieder auf den nächsten Lauf.

Neben dem Training galt es sich auch um eine angemessene Ausrüstung zu kümmern. Jeder Teilnehmer am UTMB muss eine umfangreiche Pflichtausrüstung mit sich führen, die bei der Startnummernausgabe peinlich genau kontrolliert wird und bei Unvollständigkeit während des Rennens zur Disqualifikation führt. Zudem muss man noch ein Drop-Bag packen, das in Courmayeur, etwa der Hälfte der Strecke, deponiert wird. Auch hier gilt es, klug und vorausschauend zu packen. So packte ich als Pflichtausrüstung ein Handy, einen Trinkbecher, zwei Trinkflaschen a‘ 0,5 l, zwei Stirnlampen mit Ersatzakkus, eine Überlebensdecke, eine Pfeife, eine elastische Binde, 20 Salztabletten und 4 Tütchen Energy-Gel, eine Gore-Tex Regenjacke mit Armlingen und wasserdichte Regenhose, einen warmen Laufpulli, ein Stirnband, wasserdichte Handschuhe und eine Mütze in meinen Salomon Laufrucksack. Unverzichtbar – obwohl nicht Pflicht – wurden noch ein MP3-Player und die Teleskop-Walking-Stöcke eingepackt und natürlich eine Suunto Ambit GPS-Uhr und ein Paar Kompressionsstrümpfe getragen. In den Drop-Bag kam eine Garnitur komplette Wechselwäsche, Energy-Gels, Salztabletten und ein weiteres Paar Laufschuhe.

Die Anreise erfolgte in 3 Stunden von Waldshut aus, nachmittags am Tag vor dem Start und das war auch gut so, denn die allermeisten Läufer haben sich die Anmeldeprozedur am Starttag ersparen wollen und es bildete sich eine rund 200 m lange Schlange vor dem Check-In. Dieser war sehr professionell organisiert und klappte reibungslos, dauerte insgesamt – u.a. aufgrund der Ausrüstungskontrolle – aber noch einmal rund eine Stunde. Danach erfolgte nach einem  Gang über die große Läufermesse und durch Chamonix die Rückfahrt zum Hotel, etwa 5 km vom Start entfernt.

Der Start erfolgte morgenmuffelfreundlich um 16.30 Uhr im Centrum von Chamonix. So blieb genügend Zeit zum Ausschlafen, gemütlichem, ausgedehntem Frühstück sowie anschließender kurzer Wanderung. Dummerweise verspürte ich anschließend ein leichtes Ziehen im Bereich der rechten Hüfte, machte mir aber weiter keine Gedanken. Gegen 13 Uhr nahmen Gisela und ich in Startnähe an der Pastaparty teil und ich legte mich anschließend noch für 2 Stündchen in einen angrenzenden Park, der voller Läufer war, die hier ebenfalls noch ein kleines Nickerchen nahmen. Die Temperatur lag bei etwa 24 Grad und für die nächsten beiden Tage sollte es laut Wetterbericht – auch in den höheren Lagen – trocken bleiben. Also super Voraussetzungen für ein erfolgreiches Finish. Solchermaßen gut gestärkt und ausgeruht begab ich mich gegen 16 Uhr zum Startplatz, der schon voller Läufer war, die in bunter Montur und unter permanenter Lautsprecherbeschallung durch den französischen Kommentator ungeduldig warteten.  Leider erreichte mich kurz vor dem Start noch ein Telefonat meines Bruders Frank, mit dem ich zusammen laufen und der von seinem Wohnort am Genfer See anreisen wollte, dass er wegen einer Halsentzündung nicht mitlaufen kann! Schade, er wäre sicher mit seiner jahrelangen Alpenerfahrung eine gute Unterstützung gewesen.  

Es herrscht viel Trubel und ein großes Gedränge im Ortskern als gegen 16.30 Uhr zu den Klängen von Vangelis‘ „Conquest of Paradise“ der Startschuss erfolgt. Die rund 2300 Trailer, Läufer aus 74  Nationen, davon 50% aus Frankreich, rd. 10 % aus Spanien und Italien und fast 4% aus Japan, laufen einem Lindwurm gleich durch die engen Gassen, die von Tausenden begeistert applaudierenden Zuschauern gesäumt werden. Immer wieder kommt die Läufermenge auf den ersten beiden Kilometern zum Stehen. Erst außerhalb des Ortes kann ich allmählich in mein geplantes Lauftempo übergehen. Dabei ist es mir wichtig, möglichst kräfteschonend zu laufen. Auf einem relativ flachen Waldweg geht es dann zügig zunächst nach Les Houches. Auch der erste Anstieg zum La Charme mit fast 800 Höhenmetern auf 7 km fällt noch nicht wirklich schwer, da es dem entspricht, was ich am Feldberg geübt hatte. Anschließend geht es auf gut zu belaufenen Waldwegen, über Skipisten und Weiden hinweg, hinunter nach St. Gervais (km 21), wo sich der erste große reichhaltige Verpflegungsstand mit Nudelsuppe in kleinen Trinkschalen, Käse, Salami, Salzkräcker, Trockenobst, Energieriegeln, Kuchen, Kaffee und isotonischen Getränken sowie Wasser befindet.

Schön ist, dass Getränke ausschließlich im mitgeführten Trinkbecher konsumiert werden können, was zu einer erheblichen Reduzierung des Müllaufkommens beiträgt. Ich mache keine Experimente und nehme - wie auch an jedem weiteren der Verpflegungsstände – stets nur Cola, Nudelsuppe (Gemüsebrühe) bzw. Nudeln und Obst (Zitrusfrüchte / Trockenobst) zu mir, fülle meine Wasserflaschen und trinke hin und wieder Kaffee. Jede Stunde nehme ich zudem eine Salztablette ein, um den Mineralienverlust auszugleichen. So kann ich mich wie gewohnt vegan ernähren und habe das gesamte Rennen hindurch keinerlei Magen oder Verdauungsprobleme, so wie eine ganze Reihe von Läufern, die sich v.a. in der zweiten Nacht am Wegesrand übergeben müssen.

Hinter St. Gervais geht es für die nächsten etwa zehn km stetig bergauf bis in Notre Dame Gorge der erste steile alpine Anstieg mit 1200 HM zum Croix du Bonhomme bis auf 2479 m Höhe beginnt. Es ist mittlerweile so dunkel, dass ich mir meine Stirnlampe anziehe. Die Nacht ist sternenklar und es ist ein beeindruckendes Bild, wie sich die Lichter der Läufer in Serpentinen den Weg nach oben bahnen. Um in etwa abzuschätzen wie hoch der Anstieg ist, orientiere ich mich an den höchsten Lichtern in der Ferne. Teilweise wirkt es aber so, als ob sie in den Sternenhimmel übergehen. War der Weg anfangs noch sehr breit und gut zu laufen, so bewegen wir uns mittlerweile auf sehr steinigen Pfaden und müssen immer wieder über Felsen klettern und kleinere Rinnsale und Bäche überqueren. Dabei passe ich auf, nicht ins Wasser zu treten, denn nasse Schuhe und Strümpfe führen leicht zu schmerzhaften Blasen. Der Anstieg zieht sich endlos hin. Es ist mitten in der Nacht und bis auf das Klacken der Stöcke mucksmäuschenstill. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt und versucht seinen Rhythmus zu halten. Nach dem Erreichen des Gipfels geht es wieder zum Teil sehr steil 900 HM nach Les Chapieux hinunter. Nun sind gegen 3.30 Uhr 50 km geschafft und ich liege etwa 1, 5 Stunden vor der Cut-Off-Zeit. Weniger sollte es aber nicht werden, da unvorhergesehene Ereignisse wie Krämpfe oder plötzliche Müdigkeit sonst schnell das Rennende bedeuten können. Auch wenn es in der Nacht empfindlich kalt wird, wir teilweise auch durch Schneefelder laufen und ich Handschuhe tragen muss, so regnet es doch glücklicherweise die ganze Zeit über nicht, so dass die Witterung kein zusätzliches Handicap darstellt. Ich hüte mich nicht zu lange am Verpflegungsstand im warmen Zelt zu verweilen, weil ich merke wie ich mit zunehmender Ruhepause müder werde und die Augen zu blinzeln beginnen.

So geht es dann zügig wieder hinaus in die Kälte. Die Strecke steigt erst langsam, dann immer steiler an bis zum Col de la Seigne. Es ist kalt und das Licht der Stirnlampe wird vom Nebel gebrochen, so dass der Untergrund oft nur schwer zu erkennen ist. Gelegentliche Stolperer können durch die Stöcke aber gut pariert werden. Es wird langsam hell und der dritte Gipfel in 2516 m Höhe ist nach rund 3 Stunden erreicht. Danach geht es steil bergab bis zum Lac Combal in etwa 2000 Metern Höhe. Der Trail ist nun mühselig, weil sehr felsig und erfordert hohe Aufmerksamkeit, um nicht zu stürzen. Der erneute Anstieg zum Arete du Mont Favre in 2435 m Höhe ist zwar nur kurz, dafür aber sehr beschwerlich, weil sehr steil. Anschließend geht es über den Col Checrouit rund 10 Kilometer lang und 1200 Höhenmeter hinunter bis nach Courmayeur. Es ist mittlerweile sehr warm und ich laufe nur noch im Shirt. Courmayeur ist schon relativ früh zu sehen, aber die letzten Kilometer auf einer sehr steilen, staubigen Serpentinenstrecke entlang eines Skilifts sind sehr anstrengend. Auch deshalb, weil auf dem engen Trail alle Läufer nun mächtig Gas geben und man gezwungen ist das Tempo mitzugehen. Courmayeur ist schließlich zwei Stunden vor dem Zeitlimit geschafft und damit etwa die Hälfte der Strecke. Für den Fall, dass ich Probleme bekommen sollte, hatte ich mit Gisela vereinbart, mich zumindest bis hierher durchzuschlagen, damit sie mich von Waldshut aus von hier abholen kann. Ich nehme mein Drop-Bag in Empfang und ziehe mich komplett um – besonders wohltuend ist der Schuhwechsel von meinen Salomon S-Lab zu meinem Lieblingstrailschuh, dem HOKA Stinson Evo, den ich mir in der Woche zuvor noch in Frankreich gekauft hatte.

Nach einer großen Nudelportion und mit aufgefüllten Vorräten ging es dann zügig weiter. Zunächst durch den Ort und unter großem Beifall der Bevölkerung. Es ist wird immer heißer und der Aufstieg mit über 800 Höhenmeter und 20-30%igen Steigungen zur Hütte Bertone ist sehr anstrengend. Immer wieder kommen nun Wanderer entgegen, die stets zügig den Weg frei machen und uns anfeuern. Mein Laufhemd, das ich doch erst vor zwei Stunden frisch angezogen hatte, ist schweißgetränkt und meine Trinkvorräte sind schnell aufgebraucht. Die Aussicht ist allerdings wunderschön und immer mehr Wanderer kommen uns in Gruppen entgegen. Die nächsten rund 10 Kilometer bis zum Refuge Bonatti sind sehr angenehm zu laufen. Wir bewegen uns in 2000 Metern Höhe und überqueren immer wieder kleinere Bäche, die eine willkommene Erfrischung bieten. Die letzten beiden Kilometer geht es dann noch einmal rund 300 Höhenmeter hinunter nach Arnuva. Nun sind 94 Kilometer und rund 5000 Höhenmeter geschafft. Die schwersten Anstiege sollten allerdings noch kommen.

Nach Arnuva geht es in 5 Kilometern 800 Höhenmeter steil bergauf zum Grand Col Ferret, dem höchsten Punkt der Strecke in 2537 Metern Höhe. Es ist brütend heiß und ich bin so erschöpft, dass ich immer wieder kurz anhalten muss, um zu verschnaufen. Zudem weht am Gipfel ein eisiger Wind und ich beeile mich, schnell wieder hinunter zu kommen. Die nächsten Kilometer geht es 6 km nur bergab bis zum nächsten Verpflegungsposten nach La Fouly in nur noch 1600 Metern Höhe. Das ständige Bergablaufen schmerzt in den Oberschenkeln und langsam ermüden auch die Arme vom ständigen Stockeinsatz. Ich habe meinen absoluten Tiefpunkt erreicht, fühle mich sehr erschöpft und habe Mühe, am Verpflegungsstand überhaupt etwas zu mir zu nehmen. Ich habe keine Lust mehr und spiele mit dem Gedanken, nun nach etwa 26 Stunden und knapp 110 Kilometern, aufzuhören. Ich möchte nur noch schlafen und endlos lange duschen. In Gedanken spiele ich durch, anzurufen und mich abholen zu lassen. Die mit mir angekommenen Läufer haben den Verpflegungsposten längst wieder verlassen. Doch, ohne weiter zu überlegen, stehe ich auf, trinke erst einmal zwei Kaffee, und fülle dann doch meine Vorräte auf und mache mich – wie ferngesteuert – wieder auf den Weg.

Die Strecke geht weiter fast 10 Kilometer fast ausschließlich bergab, doch ich habe große Mühe einen Laufrhythmus zu finden und lege immer wieder Gehpausen ein. Es dämmert langsam wieder und die zweite Nacht steht bevor. Mit der aufkommenden Dunkelheit schwindet allerdings paradoxerweise auch meine Müdigkeit. Nach 117 Kilometern erreichen wir Praz de Fort und nach 128 Kilometern Champex-Lac. Nun ist es nur noch ein Marathon, allerdings mit 4000 Höhenmetern und noch drei zu bewältigenden Gipfeln.

Mittlerweile bin ich sehr zuversichtlich zu finishen. Der nun folgende Anstieg zum Bovine wird von vielen als die Schlüsselstelle des gesamten Laufs bezeichnet. Es geht in der Dunkelheit steil bergauf durch sehr raues Gelände über Wald- und Wurzelwege, mit oft zu übersteigenden Felsbrocken sowie häufigen Bachquerungen. Ich muss mich sehr auf den Weg konzentrieren, um nicht zu stürzen und bin daher hellwach. Vom Gipfel des Bovine erfolgt mit 700 Höhenmetern ein steiler, sehr steiniger Abstieg bis nach Trient. Obwohl die Stadt schon früh sichtbar wird, kommen wir einfach nicht näher. Schließlich ist es doch geschafft und ich erreiche nach einer Gesamtlaufzeit von 35 Stunden den italienischen Ort. Es ist 4 Uhr in der Früh und in Trient scheint alles auf den Beinen. Im Verpflegungszelt wird lauthals gesungen. Eine sehr eigentümliche Atmosphäre.

Nach erneuter kurzer Verpflegungspause geht es nun wieder 750 Höhenmeter hinauf zum vorletzten Berg, dem Catogne in rund 2000 Metern Höhe. Der Aufstieg ist sehr mühselig, allerdings nichts im Vergleich zum Abstieg. Der Untergrund ist ähnlich wie am Bovine sehr rau, mit vielen felsigen Stellen, zum Teil sehr rutschig und steil. Schließlich erreiche ich am Morgen nach knapp 150 Kilometern gegen 7 Uhr und knapp 2 Stunden vor dem Zeitlimit Vallorcine, die vorletzte Verpflegungsstation.

Hellwach und in Vorfreude auf die in 20 Kilometern bevorstehende Ankunft in Chamonix mache ich mich nach kurzer Verpflegungspause wieder auf den Weg. Zunächst laufen wir einige Kilometer aus dem Ort hinaus und steigen dann 900 Höhenmeter bis auf 2130 m auf den La Tete aux Vents. Die Strecke ist sehr steil und felsig und erfordert häufiges Überklettern bzw. Hinabspringen von Felsen. Vereinzelt sehe ich Läufer stürzen. Ich laufe sehr aufmerksam. Nur nicht jetzt noch verletzen! Mittlerweile ist es schon wieder sehr heiß geworden. Am Gipfel angekommen geht es die letzten 11 Kilometer nur noch bergab bis nach Chamonix – von wegen nur noch bergab. Nach wenigen Kilometern schmerzen die Oberschenkel erneut stark und selbst durch die übermäßig dicke Sohle meiner Laufschuhe spüre ich jedes kleine Steinchen. Schließlich erreiche ich die ersten Häuser von Chamonix und laufe gemeinsam mit zwei spanischen Läufern in den Ort ein.

Es ist ein tolles Gefühl, nach zwei durchgelaufenen Nächten und rund 44 Stunden endlich im Zielort anzukommen. Wir laufen alle drei in zügigem Tempo, begleitet vom Applaus der Zuschauer, durch die Straßen von Chamonix bis ins Ziel. Dort warten bereits Gisela und Aron auf mich, denen ich – vor dem Lauf für den Fall, dass ich ankomme - eine Zielankunft von 13.00 Uhr genannt hatte. Im Ziel war ich um 13.01 Uhr - na ja um die eine Minute kann man sich ja `mal vertun.

Viel Zeit zum Erholen blieb mir anschließend allerdings nicht, denn schon am nächsten Tag – in etwa 20 Stunden - musste ich wieder um 9 Uhr in der Schule zur ersten Konferenz sein. Dort habe ich mich zwar müde, aber doch sehr entspannt und zufrieden gefühlt.

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